Schachgipfel
Tag n+5: Endut! Hoch Hech!
Die Seniorenmeisterschaften habe ich mir bis zum Schluß aufbewahrt,
weil die Teilnehmerlisten gigantisch sind (und dabei haben wir immer
noch Dauercorona). Das Artikellayout ist deshalb diesmal ein wenig anders.
65+:
Von ca. 200 Voranmeldungen blieben immerhin noch 150 Spieler übrig. Davon gab
es am Ende nur 5 Ausfälle; die beiden FMs, die mit fast 100% gestartet sind, wird
es die Krätze ärgern.
Hamburger Spieler spielten keine Rolle um die Medaillen in diesem Feld,
wo 5.5 bereits "ferner liefen" bedeuteten: Gerd Kuhn (Großhansdorf, 5.5/9, Platz 35),
Werner Schirmer (HSK, 5.5, 46), Theo Gollasch (HSK, 5.5, 48), Wolfgang Schulz (HSK, 5, 74), Reimund Wolke (HSK, 4, 114).
Hier habe ich noch die Schlußrundenpartie von Theo (ich bin mir nicht 100% sicher,
ob alle Steine korrekt stehen - die relevanten aber schon). Der Springer seines Gegners
ist ziemlich häßlich gebonditscht, das ist aber noch nicht entscheidend. Nach 1...Kh5 aber schon!
Markieren zum Entspoilern: 2.Dd1 g4 3.h3! Jetzt läuft alles auf einen Generalabtausch hinaus: hxg4 Kxg4, Lxf3 Dxf3 Dxf3 Kxf3. Weiß hat ja einen Mehrbauern im Bauernendspiel. Das braucht noch ein wenig Genauigkeit. (Schwarz lief erst zum b-Bauern, wonach ihm der f-Bauer die Nase zeigte, dann zurück zu diesem, aber der weiße König deckt ihn rechtzeitig. Dann geht es umgekehrt: Während Schwarz den f-Bauern schnabulieren muss, bringt Weiß seinen b-Bauern durch.) Aber Theo löste dies mit Präzision.
50+:
Knapp 100 Teilnehmer waren angesagt und spielten auch. 3 blieben nicht bis zum Ende, und das war sozusagen turnierentscheidend.
Ziemlich topgesetzt war Guido Schleicher (St. Pauli, 6/9, 13). Nach seinem Abschneiden in der HSenBM war er vermutlich sogar zufrieden, ohne Turnierübung so hoch gelandet zu sein. Holger Fabig (Marmstorf, 5/9, 35) schaffte ebenfalls über 50%. Karl-Josef Mondorf (Volksdorf, 3.5, 76) wurde gleich in der ersten Runde von unserem Ö gelumbeckt. Vielleicht hat er sich zu sehr über die unverdiente Niederlage geärgert. (Gleich zum Dähnepokal in Lurup trafen die beiden schon wieder aufeinander, zum Glück nicht am Brett.) Sabine Schoknecht (St. Pauli, 2/9, 94) wird sicher über den vorletzten Platz enttäuscht sein, zumal sie noch etwas höher gesetzt war.
Damit kommen wir zum one and only Ö. Hätte ihm vor Beginn des Turniers eine Norne gesteckt, daß er in diesem guten Feld 6/9 und Platz 8 machen würde, hätte er gesagt: "Nicht übel, bin halt noch etwas unterspielt." Doch ach...
- R1. Der einzige Fehler von Weiß verlor die einzig offene Linie. HR nutzte das gnadenlos.
- R2. Schwarz spielte einen Grottenfranzosen mit Sc6 ohne c5. Weiß spielte zu angsthasig und unprinzipiell, ging total unter...und dann übersah Schwarz eine fiese Taktik.
- R3. Weiß schob HR gnadenlos zusammen, aber den tricky Bauerngewinn, den HR binnen einer Zehntelsekunde NACH seinem Zug sah, sah der Gegner nicht. Im Endspiel war dann nichts mehr zu holen, denn da ist HR superzäh. Remis.
- R4. Schon in der Eröffnung übersah HR etwas, was das Nilpferd seines Gegners zu einem Velociraptor aufwertete, und danach ging es ständig bergab. Zum Glück konnte HR noch Chaos anrichten - bei -5 Enginebewertung forcierte Schwarz Zugwiederholung, weil er den Ausmacher (den HR binnen einer Zehntelsekunde sah - ach wenn er doch nur binnen einer Zehntelsekunde mal gute Züge für sich selbst sehen würde :-) nicht fand.
- R5. Weiß ließ HR voll in eine Eröffnungsfalle laufen, vertauschte aber die Züge und hätte mit einem Minusbauern mit zweifelhafter Kompensation spielen müssen. Minusbauern mit zweifelhafter Kompensation kann HR gar nicht ausstehen (zumal das sich für Weiß von selbst spielen würde), und wählte lieber die sichere Variante. Das Huhn. Remis nach 11 Zügen.
- R6. Und hier boxte die Norne HR erstmal von vorne: Der Gegner beendete wg. Krankheit das Turnier. Das hat er sicherlich nicht mit Absicht gemacht und schon gar nicht, um HR zu ärgern. (A la Wilhelm Busch: Er twittert schon wieder, Gott sei Dank.) Aber HR hat eine sehr rigide Schachehre, die ihm schon öfter in die Quere gekommen ist. Kampfloser = alle weiteren Ergebnisse sind wertlos.
- R7. Schon wieder stand HR nach einem Eröffnungsfehler mit Weiß völlig auf dem Acker, investierte aber ausnahmsweise ein paar Minuten mehr, um seine Bruchbude am Laufen zu halten. Dann wurde der Gegner (in objektiv ausgeglichener Stellung - aber die bisherige HR-Schindmähre drohte binnen drei Zügen zur Riesenkrake zu werden) kopflos, mit erwartbarem Resultat.
- R8. Ein Vorbereitungszug, und HR hätte eine Ruine verwaltet. Hast erzeugte einen Knallfrosch von HR. Im Normalfalle hätte HR das weitergespielt - und in Topform vermutlich auch gewonnen. So wieder Remis nach 13 Zügen.
- R9. Gegner IM Zude hatte in der Vorrunde Suppe gehabt - HR hätte *die* Stellung bestimmt gegen ihn gewonnen. Leider kommt er nie in solche Stellungen. Vielleicht wäre dann sogar wesentlich anders gepaart worden. Mit Weiß würde er normalerweise trotzdem auf Gewinn spielen, mit seinen üblichen Eröffnungen. Er spielte was unübliches und direkt auf Verlust, rein zur Sicherheit (denn sonst träte ihm die Norne auch noch von hinten in ihrem Zorne): 1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nc3 Bb4 4.e3 O-O 5.Bd3 d5 6.Qb3 c5 7.a3 Bxc3+ 8.bxc3 Nc6 9.cxd5 exd5 10.dxc5 Ne5 11.Be2 Bf5 12.Nf3 Nd3+ 13.Bxd3 Bxd3 14.Qxb7 Ne4 15.a4 Qf6 16.Qb4 Bc4 17.Ba3 Nxc5 18.Rd1 Rfc8 19.Qxc4 dxc4 20.O-O (Das nennt man "Aufgeben mit Stil". Es ist eine höchst rare Kunst, die nur wahre Meister beherrschen.) 0-1
Alles in allem also: Nur Grottenpartien und sogar Platz 8 war sowas von unverdient. Ich Pansen!
Was kann man abschließend sagen?
- + Alles an einem Ort und zu einer Zeit, das spart Geld.
- + Speziell mit dem 9€-Ticket :-)
- - Obwohl man DB Hamburg-Hannover zur Zeit nur noch aufm Dach fahren kann.
- + Schon von der Atmosphäre ist so ein Riesenkongress was Besonderes.
- + ÖPNV-mäßig ist der Ort ideal: Bahnhof, Hotel, Jugendherberge auf 100m
- - Trotzdem, schon zur Abwechslung, könnte man mal andenken, ob man auch
in einer anderen Stadt veranstalten könnte. (Klar - Orga-Problem.)
- - Für Vielspieler ist die Konstellation natürlich ungünstig. Dies wurde z.B.
auf der DBEM deutlich, wo GM Blübaum komplett konkurrenzlos war, da die besagte
Konkurrenz mit DEM/Masters beschäftigt war. Als notorischer Egoist ist mir das aber
egal, falls ich nicht den Schirilehrgang besuchen muss oder deswegen ein
superinteressantes BVK-Seminar versäume. (Daß ich gleichzeitig HEM und HH-Dähnepokal
gewinne, ist früher vorgekommen - mit der Betonung auf früher ;-)
- + Die Masters-Saal-Liveübertragung war gut.
- - Die offizielle Berichterstattung war schnarchig und nicht zeitig genug. Ob ich mal für den Ö des DSB kandidiere? :-)))
Hauke Reddmann